Der erste Abend der vierten Hottinger Literaturgespräche fand am 28. September im Theater Neumarkt statt – und zog erneut ein zahlreiches Publikum an, darunter erfreulicherweise auch viele junge Besucherinnen und Besucher.

Ruth Schweikert zeigte sich als lebendige, humorvolle und ausgesprochen schlagfertige Gesprächspartnerin von Charles Linsmayer. Es gab wohl selten so viel Gelächter und spontanen Applaus bei einer dieser Veranstaltungen. Im Mittelpunkt stand dabei nicht nur ihr jüngster Roman Wie wir älter werden, sondern auch ihr Debüt Erdnüsse. Totschlagen (1994) sowie die früheren Romane Augen zu (1998) und Ohio (2005).

Diese Werke wurden auf neue, spannende Weise in Lesung und Gespräch beleuchtet. Besonders erfreulich: Das Publikum durfte erstmals eine rare Publikation kostenlos mitnehmen. Dabei handelte es sich um kleine Büchlein mit französischer und italienischer Übersetzung der ersten beiden Kapitel von Ohio. Diese Texte erschienen 2003 zur Ausstellung 4×1=1++++, zwei Jahre bevor der Roman in überarbeiteter Form publiziert wurde.

Der Abend widmete sich ausschliesslich der Literatur und den biografischen Hintergründen des Schreibens. Dennoch konnte man sich der Vorstellung kaum entziehen, Ruth Schweikert auch im politischen Raum zu sehen – nicht wenige hätten sie sich durchaus im Nationalrat vorstellen können, für den sie am 18. Oktober kandidierte.

Manfred Utzinger hat den Abend wie gewohnt in einer stimmungsvollen Foto-Reportage dokumentiert. Die Bilder können unter folgendem Link angesehen werden. Wer möchte, kann die Aufnahmen auch in digitaler Form oder als Ausdruck bei Utzinger bestellen.

https://utzi‐foto.smugmug.com/Linsmayer/20150928‐Schweikert‐Ruth/n‐z5mvc2/

Text: Charles Linsmayer

Ruth Schweikert – Schreiben über das Leben, das Politische und das Persönliche

Ruth Schweikert gehört zu den bedeutendsten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Ihr Werk ist geprägt von einer klaren, direkten Sprache und einem tiefen Gespür für gesellschaftliche Prozesse und persönliche Brüche.

Beim Hottinger Literaturgespräch gab sie Einblick in ihre Themen, ihre Motivation und ihren Umgang mit der Sprache – mal reflektierend, mal provokant, aber immer klug und wach.

Bekannt wurde sie in den 1990er-Jahren mit ihrem Debüt Erdnüsse. Totschlagen, das bereits zeigte, worum es ihr geht: um weibliche Perspektiven, um familiäre Strukturen, um das Schweigen und das Sprechen dazwischen. Es folgten Romane wie Augen zu, Wie wir älter werden oder das autobiografische Buch Tage wie Hunde, in dem sie sehr offen über ihre Krebserkrankung schreibt.

Schweikerts Texte sind politisch, aber nie platt. Sie beobachtet scharf, seziert Strukturen, legt Widersprüche offen – und zeigt gleichzeitig grosse Empathie für ihre Figuren.

Beim Gespräch in Hottingen sprach sie über das Verhältnis von Körper und Sprache, über das Schreiben als Überlebensstrategie – und über die Notwendigkeit, Dinge beim Namen zu nennen. Ihre Offenheit, gepaart mit literarischer Präzision, machte den Abend zu einem intensiven Erlebnis.

Ruth Schweikert ist nicht nur Autorin, sondern auch Denkerin und Zeitzeugin. Ihre Literatur bleibt unbequem – aber gerade deshalb so wichtig. Sie schafft Räume für Erfahrung, Erinnerung und Auseinandersetzung.

Ein Abend, der berührte, forderte – und lange nachhallte.

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